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Weiße Flecken I - Interferenzen
Ein Diskurs ist stets vielschichtig. Ansichten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Sie überlagern sich. Sie widersprechen sich. Sie bekämpfen sich. Und doch bringt diese Differenz den Diskurs hervor. Weiße Flecken I – Interferenzen will einen solchen Diskursraum erfahrbar werden lassen. Der Komplex Hambacher Forst ist ein diskursiver Raum. Dort stoßen an ein und demselben Ort mehrere Räume zusammen, die eigentlich unvereinbar sind (Foucault) und bringen auf diese Weise dessen Wirklichkeit hervor. Der Wald steht nicht einfach nur da. Er ist Teil einer Wirklichkeit aus Sprache.
Der Hambacher Forst ist ein ursprünglich 5.500 Hektar großes Waldgebiet in der Nähe von Köln, das der Braunkohle weichen soll. Der Energiekonzern RWE betreibt dort Deutschlands größten Tagebau. Seit einigen Jahren regt sich vielfältiger Widerstand. An kaum einem anderen Ort treffen so viele konträre Interessen direkt Beteiligter unmittelbar aufeinander, die zugleich stellvertretend für Phänomene globaler Dimension stehen. Vertreter*innen der Privat- und Energiewirtschaft, Naturschutzaktivist*innen, Politiker*innen, verbliebene Anwohner*innen in aufgegebenen Geisterdörfern, Umgesiedelte sowie Vertreter*innen der Wissenschaft prägen das Konfliktfeld.
Das Augenmerk der Arbeit richtet sich sowohl auf Inhalte als auch auf deren komplexe Wechselwirkungen. Es werden Positionen nach sozialwissenschaftlichen Standards recherchiert und Interviews mit Menschen, die unmittelbar am Diskurs beteiligt sind – von der RWE Mitarbeiter*in bis zur Umweltaktivist*in - geführt. Anschließend werden diese mit dem Schauspieler Jörg Simmat reinszeniert. So entsteht ein unversöhnlicher Chor aus Monologen einer einzigen Stimme. Kontextuelle Informationen wie Aussehen, Name und Duktus der Sprecher*innen werden mit künstlerischen Mitteln eliminiert und die Bedeutungsfindung zum Ereignis. Alle Positionen können zudem aus dem Chor gelöst und für sich rezipiert werden. Alle Monologe folgen dabei denselben Fragen und erleichtern so die Vergleichbarkeit. Das Publikum sieht sich mit einer Situation konfrontiert, eigene Standpunkte nicht nur abgleichen zu können, sondern einem Prozess der Meinungsbildung beizuwohnen. Ohne zu wissen wer spricht?, wird die Sensibilität für Inhalte erhöht und die eigene Position in einen Schwebezustand versetzt. Die Rezipient_Innen finden sich selbst in den Interferenzen des Diskurses wieder.
Die Installation wurde im Rahmen des Szenischen Projekts Theater und Wissenschaft bei Heiner Goebbels am 21.07.2017 in Gießen präsentiert.
Gemeinsam mit: Hannes Schladebach, Marietheres Granser und Johanna Brault (als Kollektiv THEALOG)