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"Wenn wir von Exzessen sprechen, sprechen wir nicht von Ausnahmen von der Regel, sondern von Änderungen der Regeln. Oder zumindest von der Infragestellung von Regeln. Es gibt ökonomische, kulinarische, sprachliche, politische, sexuelle und ästhetische Regeln. Und deswegen gibt es auch ökonomische, kulinarische, sprachliche, politische, sexuelle und ästhetische Exzesse. Man kann den Exzess als Symptom einer Veränderung begreifen, aber eben auch als Wirkkraft. Im Gegensatz zu einem Traum, einer Idee, einem einzelnen Bild etc. ist der Exzess etwas Unumkehrbares. Wird er wahrgenommen, hat er die Regeln auch schon verändert.

Man mag sagen, dass der Exzess ein System an den Rand seiner Belastbarkeit bringt. Den einzelnen Menschen sogar an den Rand des Todes. Zugleich aber ist der Exzess auch ein rituelles Stabilisierungsmerkmal. Die Gesellschaft eine Maschine, die im Exzess gewissermaßen Dampf ablässt. Es ist sicherlich von Bedeutung, dass eben diese bürgerliche Gesellschaft, an deren Ausläufern wir uns mittlerweile befinden, den Exzess vor allem in Bezug auf den Genuss definierte, auf Sex & Drugs & Rock’n’Roll. Der gefürchtete und klammheimlich begehrte Exzess erscheint hier vor allem als extreme Äußerung des Körpers, der sich seiner Kontrolle entzieht. Exzess bedeutet die körperliche Erfahrung, die unverhältnismäßig viel intensiver und nachhaltiger ist als die der anderen. Erst in der bürgerlichen Gesellschaft hat man nicht mehr so sehr Angst vor allem Exzessiven im eigenen Leben, als dass man vielmehr den Anderen alles Exzessive missgönnt. Sexualität und Gewalt. Ausgelagert in koloniale Mythen. In die Kunst. Ins Theater. Wir sind Gesellschaft zugleich für und gegen den Exzess." 

(Georg Seeßlen

Am 31. August 1867 starb Charles Baudelaire mit nur 46 Jahren. Seine Gedichte markieren eine Zäsur. Sie kreisen um Verfall und Fortschritt, um Exzess und Melancholie. Sie antizipieren das Lebensgefühl der anbrechenden Moderne. 

Die Videoarbeiten x_Blumen spüren jenen Sujets eineinhalb Jahrhunderte später nach. Dabei bewahren und aktualisieren sie die exzessive Lyrik Baudelaires durch deren Darstellung, durch die Simulation des Exzesses mit künstlerischen Mitteln, ja mittels eines Exzesses der künstlerischen Mittel selbst. 

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